Heut is' nix los - dachte ich ...

02.06.2016

Noch beim Heimkommen dachte ich, dass heute eigentlich nix los war, aber bei der Durchsicht der Bilder wurde mir wieder einmal klar, dass dieses Gefühl nur dann entstehen kann, wenn man im Wald "zuhause" ist .... weil man sich an vieles gewöhnt und es nicht mehr als "neu" einstuft .... und so gesehen ist das Herzeigen der Natur eine tolle Möglichkeit, auf die vielen kleinen Wunder der Natur auch selber immer wieder aufmerksam zu werden ...

Diese einfach Fliege zum Beispiel hat sich als hochspezialisierte Wanzenfliege (Phasia hemiptera) entpuppt ... was für uns grausam klingt ist in der Natur in ähnlicher Form oft zu finden: diese Fliege schafft es, ihre Eier auf große Baumwanzen abzulegen! Nach dem Schlüpfen parasitieren die Larven im Körperinneren der Wanze, fressen diese von innen auf und töten diese letztlich! Wir sollten uns jedoch hüten, deshalb das Tierchen zu verurteilen, denn - auch die Amsel frißt den Wurm!

Direkt nebeneinander finde ich die zwei Farbvarianten der mit dem sperrigen Namen Eigentliche Echt-Schafgarbe (Achillea millefolium) bezeichneten Pflanze. Als Schafgarbe kennt sie wohl jedermann, der sich auch nur ein wenig in der Natur herumdrückt oder mit Heilkräutern beschäftigt - die rosa Form ist eher seltener zu finden.

Hoppla - diesen schlicht gefärbten Winzling hätte ich doch im heftigen Wind glatt übersehen ... und auch vielen anderen dürfte es so gehen, denn er hat in der Fachwelt gar keinen deutschen Namen: diese Wanze nennt sich trocken-wissenschaftlich bloß Coriomeris denticulatus, und gehört zur Gruppe der sogenannten "Randwanzen". Sie ist spezialisiert auf warme trockene Lebensräume und daher im Bereich des Raader Wald als typisch einzustufen.

Da hat jemand versucht, einen Ameisenhaufen zu schützen, was eindeutig NICHT gelungen ist. Und es ist auch wirklich gar nicht so einfach, diese Haufen so zu schützen, dass nicht irgendein anderer Nachteil für die kleinen Soldaten des Waldes entstehen ... da muss man oft von Fall zu Fall anders entscheiden, was wie zu tun ist!

Diese Bank käme mir grade sehr gelegen: ich bin schon eine Weile unterwegs und mal in die Gegend gucken täte gut - wären da nicht die vielen Zecken! Sollte die Bank als Ruheangebot also ernstgemeint sein, müßt man da doch ein bissl ausmähen!

In einem dunklen Waldbereich plötzlich ein helles Aufleuchten von vielen gelben kleinen Tupfen ... Das Klein-Springkraut (Impatiens parviflora) - bekannt auch als Rührmichnichtan, guckt neugierig über das Meer der eigenen grünen Blätter und lockt mit aller Blütenkraft vorbeifliegende Insekten an ... die aber bei dem heutigen naßfeuchten Wetter noch nicht so recht herumfliegen wollen ... Interessant zu Wissen, dass die Pflanze erst um 1835 aus botanischen Gärten "entkommen" ist und seither fleißig unsere dunklen Wälder besiedelt ... tja, Globalisierung hat schon früher angefangen!

Ein genauerer Blick auf die kleine unauffällige Blüte des Klein-Springkraut (Impatiens parviflora) lohnt sich ....

Eine mir vorerst nur bekannt vorkommende gelbe Blüte nickt im Wegrandschatten ... erst später wird sich herausstellen, dass es sich um eine Echte Nelkwurz (Geum urbanum) handelt. Der Volksname Benediktinerkraut zeugt von der Verwendung als Heilkraut, wobei auch die getrockneten, nach Nelken riechenden Wurzeln zum Einsatz kamen. Sie ist - in Gesellschaft der Knoblauchrauke - eine typische Randpflanze in Edellaubmischwäldern und Eichenwäldern ...

Das kommt davon, wenn man immer die Nase am Boden hat: der Bursche - ein Rehbock (Capreolus capreolus) - hat mir dabei zugeschaut, wie ich langsam daherschlendernd die Blüten am Wegrand betrachte, teilweise untersuche, und sich nicht gemuckst! Andererseits spannend, irgendwie irgendwann zu fühlen, dass man von irgendwoher fixiert wird ... es muß der intensive Blick gewesen sein, denn er stand still und starr wie aus Erz gegossen und ich hatte keine Veranlassung, in seine Richtung zu schauen!

Nicht einmal 10 Meter haben uns getrennt - und eigentlich hat uns wohl NICHTS getrennt, denn beide können wir die Motorsäge nicht leiden, und das verbindet wohl ...

Er hat nicht warnend "gebellt", er ist nicht "abgesprungen" ... er stand nur da und beobachtete meinen langsamen Abgang ...

Diese Begegnung hat aber die Augen wieder mehr nach oben gelenkt - und es war nicht umsonst! Der Wert eines natürlichen oder naturnahen Waldes liegt ja unter anderem auch in seinem Totholz! Fast 1/3 aller im gesunden, natürlichen (!) Wald lebenden Organismen benötigt alte und tote Bäume oder Baumteile! Fehlt dieses Alt- oder Totholz, kommen diese Arten einfach nicht vor!

Eine riesige Brombeerblüte beherbergt einen hektisch herumkrabbelnden, pollensuchenden Kleinen Schmalbock (Stenurella melanura). Typisch für diesen Wald, denn seine larven brauchen morsches Holz (!) von Laub- und Nadelbäumen!

Eine erste Walderdbeere (Fragaria vesca) leuchtet völlig unerwartet auf - bisher habe ich zwar schon viele gefunden, aber die waren am Bahndamm, und da werde ich mich hüten welche zu verzehren wegen der sicher erfolgten Unkrautvernichtung! Aber hier, HIER, GENAU HIER ???

..... äh ..... nun ja ....

Gestärkt gehe ich meiner Wege, immer öfter auf der Suche nach Baumstämmen und -strünken, Altholz, Totholz ... dies werden meine bevorzugten abendlichen Anlaufstellen der nächsten Wochen sein. Hier machen die wirklich großen Käfer-Brummer ihre Hochzeitsflüge, denn genau sie legen auch ihre Eier in das alte morsche tote Holz, manche bevorzugt in Stämme, manche bevorzugt in Äste ...

Dieser Baumstrunk zwinkert mir freundlich mit seinem wassergefüllten Auge zu, während ich die Kamera auf ihn richte ... der kleine blaue Himmelstupfen gefällt mir ...

Ein einzelner Brauner Storchschnabel (Geranium phaeum) wird von der Sonne so beleuchtet, dass er schon von Weitem meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein Extrakt dieser eigentlich unauffälligen Pflanze kommt übrigens in der HIV-Forschung zum Einsatz (Ich gestehe: hab ich auch vorher nicht gewußt!)

Einige Minuten hab ich versucht, ein aufgeregtes Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), den Kolibri unter den Schmetterlingen, ins Bild zu kriegen - aber alle Mühe war umsonst, obwohl es dauernd diese Pflanze ohne Blüten umschwirrte.

Aber gottseidank hat es etwas hinterlassen .... EIN EI ! Und so kann man jetzt hier ein einzeln abgelegtes Ei dieses flotten Fliegers bewundern ... auch ich hab sowas bisher noch nie gesehen ...

Ein kleines Lichtspiel erinnert mich, dass eigentlich viele Grenzsteine im Raader Wald zu finden sind ... manche mit Stangen markiert, manche eingewachsen in den Boden und fast unsichtbar ...

Dieses Blattwerk kommt mir einerseits bekannt vor, andererseits - gehört das hierher? Hm ..... mal genauer schaue ....

... und siehe da, die Früchte einer Gemeinen Pimpernuss (Staphylea pinnata) hängen da direkt vor meinen Augen auf mehreren ausgewachsenen Sträuchern! Wie ich erfahre, ist sie hier durchaus am rechten Platz (Donauraum von Ulm bis Niederösterreich sagt Wikipedia), wenn ich hier in St. Valentin auch noch nie einer begegnet bin! Aber es ist schön, sie gefunden zu haben und ich freu mich schon auf die zu erntenden Klappernüsse!

Seitwärts findet sich ein kleiner Fichtenforst, der den üblichen, düsteren Schatten der gleichgerichteten Baumreihen wirft ...

... und unweit davon zeigt ein Blick in den jetzt schönen blauen Himmel, dass es den Eschen hier absolut schlecht geht ...

Im Unterholz wiederum ein vital zum Himmel strebender Baum, dem ein Stamm wohl nicht genug war ... hier lohnt es sich wirklich, einmal über den Begriff "Gleichgewicht" nachzugrübeln ...

Alte Bekannte finden sich an einer kleinen lichten Stelle im Wald ... ein nur kleines Gespinst der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte (Ypnomeuta cagnagella) läßt ahnen, dass der Stanort nicht ganz so optimal gewählt wurde wie der vor einigen Tagen entdeckte, von Gespinsten übersäte Strauch in der Sonne ...

Schon wieder einmal am Rückweg findet sich am Waldrand noch ein kleines Exemplar einer Bunten Kronwicke (Securigera varia) - aber die vielen Blätter rundherum lassen schon erahnen, dass bald alles übersät sein wird von diesen hellvioletten Blütenköpfchen ...

... und da ist wohl eine kleine Rapspflanze (Brassica napus) von den nahen Feldern ausgerissen und blüht leise im Waldschatten vor sich hin ... oder täusche ich mich?

Dabei dachte ich, heut is' nix los ... man sollte das Denken doch den Pferden überlassen, die haben einen größeren Kopf !!

 

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